Qualitäts- und Leistungsprüfung von Lithium-Ionen-Akkumulatoren durch isotherme Mikrokalorimetrie

Hang Lau | Morgan Ulrich | Jeremy May | Julienne Regele
April 10, 2023

Bahnbrechende wissenschaftliche Fortschritte durch Messungen parasitärer Reaktionen

In der Forschung, Entwicklung und Qualitätskontrolle im Batteriesektor entwickelte sich die isotherme Mikrokalorimetrie (Isothermal Microcalorimetry, IMC) in den letzten zehn Jahren zum wichtigsten In-situ- und In-operando-Verfahren zur Beurteilung des Wärmestroms bei der Zyklisierung von Lithium-Ionen-Akkumulatoren (Lithium-Ionen-Akkus). Zwar kann es viele Monate dauern, bis die Zyklisierung dazu führt, dass eine Batterie vollständig erschöpft ist, aber mit neuen diagnostischen Tests ist es möglich, das Langzeitverhalten innerhalb weniger Wochen zu prognostizieren.

Zu diesen neuen Diagnoseverfahren zählt auch die Messung des parasitären Wärmestroms einer Batterie während der Zyklisierung. Krause et al (2012)1 legten einen Prozess zur Trennung parasitärer Wärmeereignisse von der Gesamtwärmeerzeugung und damit zur Quantifizierung parasitärer Reaktionen dar. Die Daten über die parasitären Reaktionen können dann zu folgenden Zwecken genutzt werden:

  • Beurteilung der Qualität der Batteriezelle
  • Hilfe bei der Rezeptur des aktiven Materials
  • Untersuchung der Auswirkungen von Additiven
  • Untersuchung der Bildung und des Wachstums der Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase (Solid Electrolyte Interface, SEI)
  • Einbindung in Modelle zur Prognostizierung der Zyklenlebensdauer und der kalendarischen Lebensdauer einer Batterie

Die folgenden Beispiele aus der Forschung verwenden das TAM (Thermal Activity Monitor) Mikrokalorimeter von TA Instruments, um parasitäre Reaktionen von Batterien mit neuen Materialien, Rezepturen und Verarbeitungsmethoden zu beurteilen.

Verbesserung neuer Batterierezepturen durch Kenntnis parasitärer Reaktionen

L. J. Krause et al (2012)1 von 3M und die Gruppe um Jeff Dahn an der Dalhousie University untersuchten den Effekt verschiedener Graphite sowie den Effekt der Elektrodenrezeptur auf die Leistung einer Batteriezelle. Sie zählten mit zu den Ersten, die das TAM III verwendeten, um parasitäre Energie zu messen und sie mit dem Verlust an aktivem Lithium oder dem Coulomb-Wirkungsgrad in Korrelation zu bringen, „was bestätigte, dass es sich bei der Quelle der parasitären Energie um die Wärme der Reaktion zwischen den lithiierten Elektroden und dem Elektrolyten handelt“. Ihre Methode erwies sich als effektiv für die Untersuchung neuer Materialzusammensetzungen und die Vorhersage der Lebensdauer der Batteriezelle.

Frühere Arbeiten hatten gezeigt, dass das Entfernen von Ethylencarbonat (EC) aus Elektrolyten in Graphit-Lithium-Ionen-Pouch-Zellen zu einer erhöhten Zyklenlebensdauer und Lebensdauer bei Hochspannungsbetrieb führte. S. L. Glazier et al (2017)2 von der Dalhousie University untersuchten die Leistung von Ethylencarbonat-freien Elektrolyten, indem sie Messungen des parasitären Wärmestroms während des Hochspannungsbetriebs auf dem TAM III-Mikrokalorimeter in Kombination mit einem Batterie-Cycler durchführten. Das Team bestimmte die Zeit- und Spannungsabhängigkeit der parasitären Reaktion, um die komplexen internen Reaktionen in der Batterie zu beschreiben. Sie stellten fest, dass Ethylencarbonat-freie Elektrolyte „bei niedrigeren Spannungen einen höheren parasitären Wärmestrom ergaben, aber oberhalb von 4,3 V besser abschnitten als Ethylencarbonat-haltige Elektrolyte“. Darüber hinaus waren die Ethylencarbonat-freien Elektrolyte besser in der Lage, den parasitären Wärmestrom nach Anlegen einer Hochspannung wieder zu reduzieren. Ihre Arbeit bestätigt, dass Ethylencarbonat-freie Elektrolyte hervorragend für den Hochleistungsbetrieb geeignet sind, und weitere Forschung kann dazu beitragen, ihre Leistung bei niedrigen Potenzialen zu verbessern und erfolgreichere Batterieelektrolytrezepturen zu entwickeln.

Beurteilung neuer Batteriematerialien durch Wärmestrommessungen unter Hochspannung

S. L. Glazier et al (2017)3 von der Dalhousie University verglichen auch Zellen aus natürlichem Graphit und künstlichem Graphit, indem sie eine Messung von deren parasitären Wärmeströmen und der Kapazitätserhaltung durchführten. Der TAM III erwies sich als nützlich, um „die Spannungs- und Zeitabhängigkeit parasitärer Reaktionen in Hochspannungs-Lithium-Ionen-Pouch-Zellen zu verstehen“. Sie verwendeten isotherme Mikrokalorimetrie, um parasitäre Reaktionen in einem Niederspannungsbereich zu untersuchen, um Aufschluss über die Reaktion der Elektrolyte in der negativen Elektrode zu erhalten, und erweiterten die Tests dann auf den Hochspannungsbereich, um die positive/negative Wechselwirkung bei dem Oxidationsprozess zu untersuchen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Elektroden aus natürlichem und künstlichem Graphit mit ausreichender Beladung mit Elektrolytadditiven ähnliche Mengen an parasitärer Wärme erzeugen, wobei der Effekt bei künstlichem Graphit am niedrigsten war. Eine unzureichende Beladung mit Elektrolytadditiv erzeugte einen größeren parasitären Wärmestrom und eine deutlich schlechtere elektrochemische Leistung im Hochspannungsbereich. Was das langfristige Zyklisierungsverhalten betraf, wiesen die natürlichen Graphitzellen im Vergleich zu künstlichem Graphit schnellere Kapazitätsverlustraten auf. Die Gruppe folgerte, dass die Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase bei unzureichender Elektrolytbeladung dünn und unwirksam ist, um der mechanischen Ausdehnung natürlicher Graphitpartikel während der Lithiierung zu widerstehen, was zu einer irreversiblen Ausdehnung und einem größeren Kapazitätsverlust führt, da sich auf den freiliegenden Oberflächen eine neue Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase bildet.

Entwicklung einer Baseline für die Optimierung von High-Ni-NMC-Kathoden ausgehend von der Beurteilung parasitärer Reaktionen

C. D. Quilty et al (2022)4 führten in ihrer Studie zu Batteriezellen mit nickelreichen Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid(NMC)-Kathoden auch Beurteilungen neuer Materialien für Lithium-Ionen-Akkus durch. Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid bietet eine hohe Energiedichte, hat aber den Nachteil eines hohen potenziellen Kapazitätsschwunds, weshalb die Kapazität sorgfältig begrenzt werden muss. Die Maximierung der Lebensdauer und der hohen Kapazität von Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid-Batterien erfordert die Messung von Kapazitätsschwundmechanismen mit unterschiedlichen Tools, einschließlich in operando durchgeführter Versuche im Bereich isotherme Mikrokalorimetrie.

C. D. Quilty et al erhielten durch thermische Echtzeitmessungen während der
(De-)Lithiierung mit dem TAM IV detaillierten Aufschluss über die Batterieentladung. Sie beschrieben die isotherme Mikrokalorimetrie im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten als leistungsfähiges, zerstörungsfreies Werkzeug zur Erfassung des direkten Wärmestroms, der von einer Zyklisierungsbatterie mit ultrahoher Präzision abgegeben wird. Sie fanden heraus, dass ein erhöhter Kapazitätsschwund bei höheren Spannungen durch eine größere Verschwendung thermischer Energie oder einen geringeren elektrochemischen Wirkungsgrad ausgelöst werden kann. Ihre Schlussfolgerungen bilden die Grundlage für die Optimierung zukünftiger Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid-Kathoden.

Beurteilung der Auswirkungen einer Prälithiierung auf neue Verarbeitungstechniken für Lithium-Ionen-Akkus

Prälithiierung ist ein neues Herstellungsverfahren für Lithium-Ionen-Akkus, bei dem vor dem Betrieb der Batteriezelle aktives Lithium zugegeben wird. Dadurch wird der Lithiumverlust während des Formationszyklus ausgeglichen, was bei korrekter Ausführung eine hohe Energiedichte und eine bessere Zyklusleistung verspricht. Die möglichen negativen Nebenwirkungen der Prälithiierung werden jedoch noch untersucht.

Linghong Zhang et al (2022)5 verwendeten ein TAM III, um sowohl den Prälithiierungsprozess als auch die damit verbundenen parasitären Reaktionen zu prüfen. Prälithiierte Zellen wiesen während der ersten Zyklen zusätzliche parasitäre Reaktionen auf, aber nach drei Zyklen wurden „ähnliche Wärmesignale von parasitären Ereignissen bei den Prälithiierungszellen und den Kontrollzellen festgestellt, was auf eine Stabilisierung und die Möglichkeit hindeutet, dass keine langfristigen Nebenwirkungen durch die Prälithiierung auftreten“.

In dieser Studie wurde der Einsatz der isothermen Mikrokalorimetrie zur Beurteilung einer Prälithiierung erstmals beschrieben, und ihre Ergebnisse sind vielversprechend. Ihr Fazit lautet, dass „in operando durchgeführte isotherme Mikrokalorimetrie ein leistungsfähiges Werkzeug ist, um die Anwendung einer Prälithiierung von Lithium-Ionen-Akkus zu beschreiben“. Prälithiierung kann in zukünftigen Studien weiter optimiert werden, und von besonderer Relevanz ist es, die Auswirkungen von Prälithiierungsadditiven für die sichere Bildung von Zellen im Maßstab zu überwachen.

Die Technologie hinter der Forschung

Die sechs oben genannten Forschungsstudien verwendeten vor allem das TAM Mikrokalorimeter, ein Analyseinstrument mit modernster Technik zur Messung des thermischen Verhaltens von Proben unter kontrollierten Temperaturbedingungen. In vielen der Studien wurde das TAM in Kombination mit einem Potentiostaten oder einem Batterie-Cycler angewendet, was eine Messung des Wärmestroms während des Batteriebetriebs ermöglichte, um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten.

Die neue Batterie-Cycler-Mikrokalorimeter-Lösung wurde speziell für diese Anwendung entwickelt und kombiniert das TAM IV Mikrokalorimeter mit dem BioLogic VSP-300 Potentiostat zu einem integrierten System. Forscher und Wissenschaftler können damit unabhängig vom Grad ihrer Erfahrung den Batteriewärmestrom im laufenden Betrieb mit nahtloser Systemsteuerung und Datenanalyse messen.

Im folgenden Anwendungshinweis wird ein exemplarisches Experiment unter Verwendung der neuen Prüflösung beschrieben: Determination of Parasitic Power in Lithium-ion Batteries using the Battery Cycler Microcalorimeter Solution  (Bestimmung der parasitären Leistung in Lithium-Ionen-Akkus mit der Batterie-Cycler-Mikrokalorimeter-Lösung).

Wenden Sie sich an TA Instruments, wenn Sie mit einem Experten über Ihre Batterieprüfungen sprechen möchten.

Literaturhinweise

  1. Krause, L. J., Jensen, L. D., Dahn, J. R. (2012). Measurement of Parasitic Reactions in Li Ion Cells by Electrochemical Calorimetry. Journal of The Electrochemical Society, 159 No 7.
    https://iopscience.iop.org/article/10.1149/2.021207jes
  2. Glazier, S.L., Petibon, R., Xia, J., Dahn, J.R. (2017). Measuring the Parasitic Heat Flow of Lithium Ion Pouch Cells. Journal of The Electrochemical Society, 164 No 4.
    https://iopscience.iop.org/article/10.1149/2.0331704jes
  3. Glazier, S. L., Li, J., Louli, A. J., Allen, J. P., Dahn, J. R. (2017). An Analysis of Artificial and Natural Graphite in Lithium Ion Pouch Cells Using Ultra-High Precision Coulometry, Isothermal Microcalorimetry, Gas Evolution, Long Term Cycling and Pressure Measurements Journal of The Electrochemical Society, 164 No 14. https://iopscience.iop.org/article/10.1149/2.0421714jes
  4. Quilty, C.D., West, P. J., Li, W., Dunkin, M. R., Wheeler, G. P., Ehrlich, S., Ma, L., Jaye, C., Fischer, D. A., Takeuchi, E. S., Takeuchi, K. J., Bock, D. C., Marschilok, A. C. (2022). Multimodal electrochemistry coupled microcalorimetric and X-ray probing of the capacity fade mechanisms of Nickel rich NMC – progress and outlook. (2022). Physical Chemistry Chemical Physics, 24.
    https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2022/CP/D1CP05254C
  5. Zhang, L., Chevrier, V. L., Gionet, P., Hung, J., Wu, L., Chen, X., Yu, T., Williams, S., Krause, L. (2022). Isothermal Microcalorimetry Evaluation of In Situ Prelithiation in Lithium-ion Batteries. Journal of The Electrochemical Society, 169.
    https://iopscience.iop.org/article/10.1149/1945-7111/aca366